Es war die geniale Idee von Jochen Senft (ehemaliger Militärseelsorger),
mit Marine-Rekruten in Anlehnung an die Lieder der Befreiung der Schwarzen Gospels
zu singen. Jochen verfolgte damit das Ziel, Marine-Soldaten Möglichkeiten für
Artikulationen zu eröffnen, die über rein verbale Mitteilungen hinausgehen.
Ich selbst trat den "Gospelsängern" bei, als Jochen bereits pensioniert war und ich
zum Singen die Zeit fand.
Von den ehemaligen Rekruten kam noch einer zu den Proben in die Waitzstraße in Kiel
montags um 19.00 Uhr, bis sich dort der Chor wegen gesundheitlicher Probleme des Chorleiters
auflöste.
Ich danke Jochen Senft dafür, dass er mit uns auf Festen, in Krankenhäusern, zu Trauungen
etc. und zuletzt anlässlich einer Beerdigung sang!
Britta und ihre wunderschöne Stimme werde ich nicht vergessen! Wir sangen zu ihren Ehren
den Gospel "Steal away to Jesus". Er steht im Anhang des genannten Büchleins, den nur die
Chormitglieder besitzen.
Wer mit Pastor i. R. Jochen Senft singen möchte, sollte sich nach seinem Aschberg-Singen unter
freiem Himmel erkundigen. Es findet gewöhnlich am letzten Freitag des Juli in den Hüttener
Bergen statt. Bevor Interessenten hinfahren, sollten sie erfragen, ob der Termin steht. Auch das
Wetter kann einen Streich spielen. Es werden Volkslieder und manchmal Gospels gesungen.
Menschen aus nah und fern reisen mit Sitz-Kissen und Teekannen an, um gemeinsam zu singen.
PS: An Jochen Senft fasziniert mich nicht nur der musikalische, sozial-psychologische Ansatz,
sondern auch und vor allem seine Intellektualität! So bestaunte ich den Mut des Theologen von
der Kanzel zu sagen, dass in keinem Theologischen Lexikon ein Artikel über den Nächsten als
"Rubrik" steht, welcher doch eigentlich ein theologischer Zentralbegriff ist. Es kommt die
"Nächstenliebe" vor, welche jedoch nicht die konkrete Zuwendung zu einem konkreten, lebendigen
Nächsten meint, sondern eine Abstraktion ist. Ein Vergleich: Auch das abstrakte Fischstäbchen
ist Teil eines richtigen, echten Fisches. Hinter der rechteckigen Form verschwindet bei vielen
Konsumenten das Bewusstsein für das Lebewesen Fisch als Ganzem. Abstraktes Denken führt zu
Gefühllosigkeit!
In diesem Sinne bedanke ich mich auch bei dem Unbekannten, der wohl als leitender Angestellter
tätig war, Menschen entlassen hatte, mir aber dennoch beim Kehren von Glas vor unserer Hoftür
für eine Zeit am 30.04.07 "sein Ohr lieh". Er sah mich, wie wenn ich sein "Nächster" bin. Das war
kein Unmensch, trotzdem er Menschen ihre soziale Existenz erschwerte!
Die Entdeckung der Abstraktion "Nächstenliebe" geht aus meiner Sicht originär auf Jochen Senft
zurück und ist im Grunde ein intellektueller Meilenstein!
Auch schlussfolgerte der Theologe nach langer Erfahrung mit unzähligen Menschen und in schwierigen
Situationen sowie nach intensivem Studium, dass Jesus keine ETHIK wie eine Technik oder ein von jedem
Menschen reproduzierbares Muster entwickelte, sondern die konkrete, lebendige und einmalige (!)
Zuwendung zum Nächsten der Kern seiner Authentizität war. Denn: In der Bibel wird die
Abstraktion "Nächstenliebe" nicht erwähnt, sondern dort steht wörtlich in Lukas 10,27:
"Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften
und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst."
Das ist die radikale Forderung Jesu in einer narzisstischen Gesellschaft (am schlimmsten sind die
pervers Narzisstischen)! Nicht Formen sind wichtig, sondern Inhalte - nicht der Schein, die Krawatte,
der Anzug, der juvenile Haarschnitt oder auch das alte T-Shirt und die verwaschene Jeans etc., sondern
Echtheit, Wahrhaftigkeit.
Diese Qualität machte Jesu Leben allerdings zu keiner eigentlichen Erfolgs-Story!
Jochen Senft unterscheidet des Weiteren zwischen Prinzipien (= Regeln) und Beziehungen (= konkrete
Verbindung)! Lebewesen und Sachen müssen unterschieden werden. Methodik, Verfahren sind bei Sachen
richtig - bei Lebewesen nicht.
Es gibt heute leider viele Menschen, die sich einem Chamäleon ähnlich verhalten und ihr Selbst
hauptsächlich durch Außenorientierung begründen. Das hatte es schon mehrmals in der
Geschichte gegeben. Hier ist der Ruf nach Toleranz ein äußerst zwiespältiges Unternehmen.
Es schält sich vielmehr eine Hauptfrage mit zwei Komponenten heraus:
Wieviel Schematisierung und Anpassung an Formen (= sozial notwendige Regeln, aber auch Scheinpluralismus
oder Narzissmus) sind erforderlich bzw. verträglich und wieviel individuelle Freiheit und Echtheit?
Wo sind abstrakte Regeln wie Verkehrsschilder richtig und wo sind sie sachlich falsch angesiedelt und
deformieren Lebendigkeit und Freiheit?
Karl Popper z. B. vertrat keinen Relativismus, da Versuchsergebnisse mit als "wahr" oder "nicht wahr"
klassifizierbar auf eine objektive Wahrheit verweisen. Wichtig ist jedoch die Trennung von Fakten und
Meinungen. Letztere müssen toleriert werden, wo diese formal gültig d. h. sachlich korrekt
plaziert sind.
Nicht zuletzt für diese vielen Anregungen danke ich dem Pfadfinder Senft, die durch Gespräche
zwischen den Gesangseinheiten entstanden!
Und "last but not least": VIDENDUM EST UT SUUM QUISQUE TENEAT!